Fotos: zvg
Ein Vierteljahrhundert bei der Brauerei: Ein Gespräch mit Max Bürki
09.01.2025 ∙ Quöllfrisch.blog
Michaela Tanner - Max Bürki ist seit 55 Jahren Bierbrauer. Seine Lehre hat er bei der Brauerei Locher in Oberegg gemacht. An der Braumeisterschule in Ulm vertiefte Max Bürki sein Wissen über die verschiedenen Rohstoffe, die Maschinen und Arbeitsabläufe. Ausserdem erlernte er dort, auch Führungsaufgaben zu übernehmen und Lernende auszubilden. Nachdem er bei einer Traditionsbrauerei in Zürich gearbeitet hatte, kam er 1999 zur ebenso traditionsreichen Brauerei Locher in Appenzell.
Max Bürki, kannst du dich an den 1. Oktober 1999 erinnern?
Ja, das war mein erster Tag bei der Brauerei Locher und ich habe den Betrieb und meine Mitarbeitenden kennengelernt. Der Herbst ist eine ruhigere Phase in einer Brauerei, deshalb hatte ich genügend Zeit, um mich mit den Menschen, Arbeitsabläufen und Maschinen vertraut zu machen.
Das ist nun ein Vierteljahrhundert her. Fangen wir damit an, was gleichgeblieben ist.
Wir brauen Bier noch immer aus Hopfen, Malz und Quellwasser aus dem Alpstein. (lacht) Abgesehen davon hat sich sehr viel verändert.
Erzähl uns mehr: Wie hat sich deine tägliche Arbeit verändert?
Am Anfang waren wir ein paar Brauer und wenige Personen in der Abfüllerei, total bestand die Brauerei aus 35 Personen. Es war mehr Handarbeit vonnöten und wir haben auch noch die alten, offenen Gärbottiche verwendet. Ich war fast überall im Einsatz: Am Gärbottich, in der Abfüllerei, habe beim Marketing mitgearbeitet. Heute sind wir viel mehr Leute und alle haben ein eigenes Fachgebiet. Wir können dadurch die Arbeiten und die Verantwortung auf mehreren Schultern verteilen. Auch gibt es weniger Einzelarbeit, wir arbeiten im Team. Das hat einen weiteren Vorteil, dass unerwartete personelle Ausfälle viel besser aufgefangen werden können.
Die Brauerei Locher ist von 1999 bis 2024 ziemlich gewachsen: Wie hast du das miterlebt?
Einerseits waren da die äusseren Einflüsse auf unseren Betrieb: Neue Hygienevorschriften und weitere Regulierungen kamen und gingen. Da mussten wir uns immer anpassen. 1991 ist das Bierkartell gefallen, der Markt wurde offener. Andererseits war Karl Locher schon immer sehr innovativ und hat wiederholt neue Sorten ausprobiert. Die Nachfrage an Appenzeller Bieren stieg, unsere Produktionsanlage wurde zu klein. 2009 eröffneten wir einen zweiten Standort an der Industriestrasse. Dort produzieren wir heute bis zu 2000 Hektoliter pro Tag, das sind 10 Sude. Am Standort Brauereiplatz setzen wir weiterhin auf viel Handarbeit beim Brauen. Hier produzieren wir Kleinsorten vier Sude pro Tag, das sind 120 Hektoliter. Da ist Brauereihandwerk und Austüfteln gefragt – fast wie in meinen Anfängen.
Wie hat sich denn eure Kundschaft verändert?
Auch das Konsumverhalten ist anders als vor 25 oder gar 50 Jahren: DEN Biertrinker, der am Stammtisch mehrere Halbliter Bier trinkt, gibt es immer weniger. Heute haben die Biertrinkenden sehr unterschiedliche Lebensstile und Geschmäcker. Mittlerweile sind Halbliter-Gebinde für die Schweiz eher zu gross, die Leute trinken kleinere Einheiten. Sie mögen auch verschiedene Biersorten zu verschiedenen Anlässen. Vor allem in den letzten fünf Jahren stieg der Trend zu alkoholfreien oder leichten Bieren. Das ist ein Zeitgeist, mit dem wir als Brauerei mitgehen müssen. Diesen Entwicklungen sind wir mit einer Verbreiterung unseres Angebotes nachgekommen. Wir haben heute über 40 verschiedene Appenzeller Biere im Sortiment, auch alkoholfreie Sorten. Ich würde sagen, dass wir mit unserem vielfältigen Sortiment viele Leute zurück zum Bier geholt haben.
25 Jahre beim gleichen Arbeitgeber – war dir nie langweilig?
25 Jahre sind lang – und auch wieder nicht. Mein Arbeitstag vergeht schnell, da er abwechslungsreich ist. Ich gehe nach wie vor gerne zur Arbeit. Die Brauerei Locher ist ein lebendiger Betrieb. Wir tüfteln immer an neuen Produkten, gehen mit der Zeit. Ausserdem machen wir nicht nur Bier, also nicht nur den Inhalt – bei uns ist alles drumherum auch wichtig: Zum Beispiel die liebevoll gestalteten Etiketten. Auf die legen wir seit Beginn grossen Wert und sie sind sicherlich auch ein Teil des Erfolges.
Was ist das Besondere an der Brauerei Locher?
Der persönliche Kontakt und die familiäre Atmosphäre, die trotz der mittlerweile stolzen Grösse noch immer gepflegt werden, finde ich einzigartig. Hier sind alle gleich wichtig. Wir schauen nicht nur, wie wir neue Kundschaft gewinnen können, sondern kümmern uns auch um bestehende Partnerschaften. Natürlich erhält ein Grosskunde viel Aufmerksamkeit, aber wir schauen genauso zu langjährigen Kunden, auch wenn sie noch die gleichen Mengen bestellen wie 1999.
Wahrscheinlich hat sich auch die Ausbildung verändert?
Meine Lehre dauerte zweieinhalb Jahre. Ich habe währenddessen an total 40 Tagen die Berufslehrschule in Zürich besucht. Heute heisst die Ausbildung «Lebensmitteltechnolog/in Fachrichtung Bier» und dauert drei Jahre. Die Schule wird in Blockkursen besucht. *
Ich habe viele Lernende ausgebildet und auch diesbezüglich viel erlebt – Positives und anderes. (schmunzelt) Die Voraussetzungen für eine Ausbildung in der Brauerei sind noch dieselben wie vor 50 Jahren, als ich angefangen habe: Du brauchst wachsame Augen, eine feine Nase, einen geschulten Gaumen. Diese Fertigkeiten kann man trainieren. Die Leidenschaft und das Herzblut fürs Bier müssen von innen kommen.
Zum Abschluss möchten wir nun gerne wissen, welches dein Lieblingsbier aus 25 Jahren Brauerei Locher ist.
Ich mag jedes Bier, das wir machen, auf seine Art. Für mich geht aber nichts über ein frisch gezapftes Säntis Kristall. Da stimmt alles: es prickelt und perlt, man schmeckt alle Komponenten – ein perfekt ausgewogenes Bier.
Max Bürki, danke für das Gespräch.
*Ab 2025 gibt es weitere Änderungen bei der Ausbildung. Wenn du Interesse am Brauberuf hast, melde dich am besten beim Personalbüro der Brauerei.